Autor*inSandra Kohler
ErscheinungsdatumJanuar 2013
Publiziert in:Stellenanzeiger von Der Bund und Berner Zeitung

HR Business Partner: Vom blossen Verwalten zum beratenden Gestalten

Kostendruck sowie Veränderungen in Unternehmen und deren Umwelt wirken sich zunehmend auf Strategie, Prozesse und Organisationsstruktur von Personalabteilungen aus. Eine Vielzahl von HR-Organisationen hat deshalb in jüngster Zeit eine strukturelle Transformation vollzogen. Dabei lassen sie sich von Zielen der Effizienzsteigerung, Qualitätsverbesserung und Wertschöpfung leiten und beabsichtigen, zukünftig vermehrt strategisch und beratend tätig zu sein. Diese Entwicklung zeigt, dass grundsätzlich in der Praxis die Notwendigkeit einer strategieorientierten Personalarbeit erkannt wurde und von einem kausalen Zusammenhang zwischen HR-Arbeit und Unternehmenserfolg ausgegangen wird.

Was die Theorie besagt …

Um Effizienz und Konsistenz der Personalarbeit zu fördern, werden administrative Dienstleistungen mit hoher Fallzahl häufig zentralisiert durch ein Shared Service Center ausgeführt. Dabei werden die Leistungen standardisiert und – unterstützt durch Softwareanwendungen – mit einem hohen Automatisierungsgrad erbracht (z. B. Formulare, Ticketingsystem für Anfragen der Mitarbeitenden).

Der Funktion des HR Business Partners kommt eine besondere Bedeutung zu. Diese agieren als interne Kundenberater für die Führungskräfte einer Abteilung. Sie übernehmen gestaltende Aufgaben und übersetzen die personalen Herausforderungen des Business in konkrete Lösungen. HR Business Partner agieren als HR-Generalisten an der Schnittstelle zwischen der Personalorganisation und dem betreuten Unternehmensbereich. Die Führungskräfte gehen im Sinne eines Single-Point-of-Contact mit all ihren personalspezifischen Anliegen auf den Business Partner zu. Dieser begleitet die Linie in sämtlichen Bereichen entlang der HR-Wertschöpfungskette. HR Business Partner steuern anstehende Themen und Projekte proaktiv und richten die Personalarbeit im jeweiligen Bereich auf die Unternehmens- und Personalstrategie aus.

Das Wissen für Spezialthemen des Personalmanagements wird durch HR-Spezialisten in sogenannten Kompetenz- oder Expertenzentren (z. B. Compensation & Benefits, Personalmarketing, Arbeitsrecht) erbracht. Diese entwickeln Strategien und Konzepte für das gesamte Unternehmen und stehen den Business Partnern bei anspruchsvollen Fragen in den jeweiligen Fachgebieten zur Verfügung.

Das HR-Geschäftsmodell mit einem Shared Service Center, Business Partnern und Kompetenzzentren soll Kosteneinsparungen im Bereich der administrativen Leistungen bringen. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Personalarbeit durch die Verstärkung des beratenden Elements der Business Partner und die Bündelung von Wissen in Spezialthemen wesentliche Beiträge zum Unternehmenserfolg leistet. Durch die Verlagerung von der administrativen zu einer wertschöpfenden Ausrichtung soll die Personalorganisation nicht bloss verwalten, sondern beratend gestalten.

… funktioniert in der Praxis häufig nicht

Der Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass die hohen Erwartungen regelmässig nicht erfüllt werden und die Frustrationstoleranz von der Linie und den HR-Mitarbeitenden überstrapaziert wird.

Die Effizienzsteigerung im Rahmen der administrativen Tätigkeiten führt häufig dazu, dass Mitarbeitende bei ihren Anliegen (z. B. Meldung von falsch ausbezahltem Lohn) keine persönliche Ansprechperson mehr haben, sondern den Prozess anonym und in Eigenregie via Formular auf dem Intranet auslösen müssen. Von Mitarbeitenden wird oft berichtet, dass ihnen das Auslösen des Prozesses schwer fällt und vom Shared Service Center wenig Verständnis für unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllte Formulare entgegen gebracht wird. Die HR-Organisation mag so zwar über eine effizientere Prozessabwicklung verfügen, die Aufwände bei den Mitarbeitenden sind jedoch erheblich unter dem Strich resultiert häufig sogar ein Mehraufwand. Diese Entwicklung kann dazu führen, dass das Shared Service Center von Mitarbeitenden und Führungskräften aktiv umgangen wird und auch administrative Anliegen beim HR Business Partner deponiert werden. Dieser übernimmt im Sinne der Kundenorientierung die administrativen Aufgaben – dies jedoch zu wesentlich höheren internen Kosten. Die Rolle der HR Business Partner wird von allen Beteiligten als schwierig beurteilt. Durch die Übernahme von administrativen Tätigkeiten kämpfen HR Business Partner häufig um die Anerkennung der Linie als kompetenter und beratender Partner in strategischen und konzeptionellen Personalthemen. Durch die hohe Zahl an administrativen Aufgaben ist es für HR Business Partner vielfach unmöglich, ihre zugedachte Rolle einzunehmen und die Zusammenarbeit mit den Führungskräften auf Augenhöhe mutiert zur Utopie. Die im Vergleich zu den wahrgenommenen Aufgaben bestehende Überqualifizierung der HR Business Partner und die Monotonie der Tätigkeiten im Shared Service Center führen in der Folge zu Unzufriedenheit und hohen Fluktuationsraten innerhalb der HR-Abteilung. HR Business Partner kämpfen zudem häufig zusätzlich um die Akzeptanz der Linie, wenn sie vorher in einer administrativen Funktion tätig waren und nicht über die notwendige Ausbildung und Erfahrung verfügen.

Erfolgsfaktoren

Aufgrund dieser Beobachtungen stellt sich die Frage, ob das HR Business Partner Modell in der Praxis grundsätzlich zum Scheitern verurteilt ist. Dies kann aufgrund der Existenz von funktionierenden Umsetzungsbeispielen sicherlich verneint werden. Voraussetzung für den Erfolg von HR Business Partner Modellen sind jedoch diverse Faktoren, welche es zu beachten gilt:

Die HR-Organisation kann nur beratend und wertschöpfend wirken und von der Linie als kompetenter Partner wahrgenommen werden, wenn die administrativen Prozesse exzellent funktionieren und den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen entsprechen. Dies bedingt nebst effizienten Abläufen auch Dienstleistungsorientierung und Qualität innerhalb der Personaladministration und nicht die blosse Kommunikation via Ticketingsystem und elektronischer Formulare. Durch die Übernahme von nicht nur standardisiert administrativen Aufgaben kann zudem die Motivation und Qualität innerhalb der Personaladministration gesteigert werden.

HR Business Partner können nur beratend und strategisch ausgerichtet wirken, wenn sie erstens von den administrativen Aufgaben durch HR-Mitarbeitende entlastet werden und zweitens über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Dies einerseits in Bezug auf relevante Arbeitsmärkte, Treiber sowie Trends des Geschäfts und andererseits hinsichtlich betriebswirtschaftlichem sowie HR- und projektbezogenem Wissen. Weiter müssen HR Business Partner über eine hohe Sozialkompetenz, Argumentationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Weitblick und Strategiekenntnis verfügen. Dies erfordert nebst solider Aus- und Weiterbildung entsprechende Berufserfahrung entweder im HR oder dem jeweiligen Geschäftsfeld. Klar dürfte sein, dass Mitarbeitende der Personaladministration nach einer HR-Reorganisation als Business Partner jeweils wenig Akzeptanz finden werden.

Innerhalb der Personalabteilung ist die klare Definition von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung pro Rolle und die Klärung von Prozessen und Schnittstellen wesentlich. Diese Themen sollten bereits in der Konzeptphase des Reorganisationsprojekts angegangen und anschliessend transparent und verständlich an die Linie kommuniziert werden.

Personalarbeit kann nur wertschöpfend und effizient erfolgen, wenn die Führungskräfte Akzeptanz und Vertrauen entgegenbringen und die Mitarbeitenden mit der Personalarbeit zufrieden sind. Dieses Vertrauen muss sich die HR-Organisation schrittweise durch kompetente Beratung und kundenorientiertes Handeln erarbeiten. Wenn dies gelingt, entfaltet das HR Business Partner Modell seine volle Wirkung und die erfolgreiche HR-Reorganisation wird vom Albtraum über den Wunschtraum zur Realität.