Autor*inBernhard Kohler, Sandra Kohler
ErscheinungsdatumJuni 2005
Publiziert in: Stellenanzeiger von Der Bund und Berner Zeitung

Unternehmensethik im Personalmanagement

Ethische Fragen stehen seit einiger Zeit vermehrt im Mittelpunkt. Neben Themen wie beispielsweise Genforschung und Datenschutz wird auch das Thema Unternehmensethik hoch gepriesen. Doch was heisst Unternehmensethik eigentlich genau und was bedeutet dieses Trendwort in seiner konkreten Anwendung? Dieser Artikel soll nach einigen Begriffsklärungen aufzeigen, wie Unternehmensethik im Personalmanagement faktisch umgesetzt und angewandt werden kann. Denn sicher ist: nur aufgrund eines Leitbildes in Hochglanz und den Worten «Wir verpflichten uns dazu unsere Mitarbeitenden stets in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen zu stellen» wird noch lange keine aktive Unternehmensethik gelebt!

Moral, Ethik und Unternehmensethik

Oftmals werden die beiden Begriffe Ethik und Moral gleichgesetzt. Um hier ein Begriffschaos zu vermeiden, werden die beiden Termini kurz erklärt. Moral befasst sich mit Normen und Werten in sozialen Prozessen. Sie definiert dabei was für ein Individuum oder eine Gemeinschaft als richtig oder falsch gilt. Ethik als Reflexionstheorie der Moral versucht die aus der Moral geforderten Sitten und Gebräuche kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Das heisst, Ethik bewertet die Regeln und Prinzipien, welche die Moral als «richtig oder falsch» einstuft. Denn nicht immer ist das, was als das Übliche und Gewohnte gilt, auch gut!1

Unternehmensethik befasst sich mit ethischem Handeln innerhalb der Unternehmung, indem sie Grundwerte in alle Bereiche der Unternehmenstätigkeit einfliessen lässt. Unternehmensziele, -leitbilder und unternehmerische Entscheide sollen von den Grundwerten geprägt werden.2 Unternehmensethik ist also «die ziemlich schwierige Kunst, Ökonomie und Moral in der Entscheidung der Unternehmen so zu balancieren, dass man das, was man moralisch wollen soll, auch ökonomisch wollen kann und umgekehrt.»3 Das heisst, eine Unternehmung soll sich nicht alleinig nach dem Gewinnprinzip orientieren, sondern ethische Überlegungen stets in Ihre Entscheide einbeziehen. Kurzfristig mag sich dies zwar nicht immer direkt auszahlen, doch spätestens mittel- bis langfristig wird sich ethisches Verhalten auch im ökonomischen Kontext lohnen.

Ethik und Gewinn

Doch warum soll sich ein Unternehmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch ethisch verhalten, wo es doch vor allem um eines geht, ums Überleben? Die Frage ist einfach zu beantworten. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich Produkte und Dienstleistungen der verschiedenen Wirtschaftsakteure immer mehr angleichen. Eine Unternehmung kann sich nicht mehr so leicht durch Produkt- oder Servicedifferenzierung von den anderen abheben. Was angesichts dieser Tatsache immer wichtiger wird, ist die Reputation, also das Image einer Unternehmung. Will man heute überleben, kann man sich keinen Skandal – ob öffentlich oder nicht – mehr leisten. Der Ruf einer Firma hat zum wesentlichen langfristigen Erfolgsfaktor mutiert. So lautet heute die Devise nicht mehr «Ethik oder Gewinn» und auch nicht «Ethik und Gewinn», sondern vielmehr «Ethik zum Gewinn»!

Das in der Organisationsstruktur und den Mitarbeitenden vorhandene ethische Potenzial reicht jedoch noch nicht aus zur ethischen Sensibilisierung der Unternehmung. Es muss zusätzlich von der Führung situationsgerecht aktiviert und gelebt werden.4

Konkrete Umsetzung im Personalmanagement

Mit ethischem Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden kann nicht nur das Image einer Firma gestärkt, sondern auch die Arbeitszufriedenheit markant erhöht werden. Diese hat wiederum einen direkten Einfluss auf die Qualität der Arbeitsergebnisse, was sich auch ökonomisch auszahlen wird. Doch wie kann Unternehmensethik im Personalmanagement angewandt und umgesetzt werden? Die nachfolgenden Beispiele sollen dies veranschaulichen, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

  • Prämisse:
    Ein ethikbewusstes Personalmanagement soll sich stets nach der Prämisse «Respektiere den Mitarbeitenden vorbehaltslos als Person» richten. Nur auf Basis eines positiven Menschenbildes, das von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Akzeptanz geprägt wird, kann ein sich der Ethik verpflichtendes Personalmanagement fussen!
  • Personalbedarfsermittlung:
    Der Bedarf soll stets so berechnet werden, dass eine menschenwürdige Auslastung gegeben ist.5 Grundsätzlich soll davon ausgegangen werden, dass Mitarbeitende weder Überstunden leisten müssen noch unterbeschäftigt sind. Zusätzlich sind Ferien und Fehlzeiten bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.
  • Personalgewinnung:
    Ein faires Auswahlverfahren soll allen Bewerbern garantiert werden. Assessment-Centers dürfen nicht zu «Assassination-Centers»5 und somit zu einem abschreckenden Selektionsinstrument werden. Ein transparentes Auswahlverfahren soll dazu führen, dass keine leeren Versprechungen gemacht werden. Wer eine Absage erhält, hat ein Recht darauf, die wahren Gründe dafür zu erfahren.
  • Personaleinsatz:
    Die Mitarbeitenden sollen ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. Familienverträgliche Arbeitszeiten und Work-Life-Balance sollen nicht nur in Ausnahmefällen ermöglicht werden.5
  • Personalentwicklung:
    Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollen nicht nur Führungskräften und hochwertigen Fachspezialisten zugänglich gemacht werden. Alle Mitarbeitenden sollen Möglichkeiten zur bedarfs- und bedürfnisgerechten Weiterbildung erhalten.5
  • Personalfreistellung:
    Begleitende Massnahmen wie ein Outplacement (einzeln oder auch gruppenweise) sollen in Betracht gezogen werden. Eine «Hire-and-Fire»-Mentalität bringt niemandem etwas!5
  • Personalinformation:
    Mit Informationen über Mitarbeitende soll stets äusserst sorgfältig umgegangen werden (Privatsphäre).5

Personalverantwortliche müssen eine hohe Professionalität in ihrem Vorgehen garantieren. Wie eingangs erwähnt, geht es stets darum, das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ethik in einem fortwährenden Prozess zu finden. Die Formulierung von einem Ethik-Kodex und verbindlichen Führungsgrundsätzen stellt für diesen Prozess einen ersten wichtigen Schritt dar.


1 vgl. Crane, Andrew/Matten, Dirk (2004): Business ethics. Oxfort University Press Inc., New York 2004, S. 11 ff.
2 in Anlehnung an Thom, Norbert (2005): Personalmanagement. Skript zur gleichnamigen Vorlesung an der Universität Bern, Bern 2005, S. 18.
3 Wieland, Josef (1998): Wie kann Unternehmensethik praktiziert werden? Aufgabenfelder und strategische Anknüpfungspunkte. In: Unternehmensethik in der Praxis: Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz. St. Galler Beiträge zur Wirtschaftsethik Bd. 19, hrsg. v. Peter Ulrich und Josef Wieland, Bern u. a. 1998, S. 45).
4 In Anlehnung an Thom (2005): S. 33.
5 In Anlehnung an Thom (2005): S. 30 f.