Autor*inSandra Kohler, Bernhard Kohler
ErscheinungsdatumOktober 2013
Publiziert in:Stellenanzeiger von Der Bund und Berner Zeitung

Individualisierung statt Giesskannenprinzip

Menschen bewegen sich in unterschiedlichen Lebensbereichen (z. B. Beruf, Familie, Hobby, Ehrenamt) und nehmen dabei verschiedenste Rollen ein. Eigene Werte und Bedürfnisse kollidieren dabei häufig mit von aussen herangetragenen Erwartungen und der Zeit, welche pro Lebensbereich und Rolle nur beschränkt zur Verfügung stehen. Wer in diesem Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdsteuerung langfristig leistungsfähig, gesund und zufrieden bleiben will, braucht umfassende Selbstmanagement-Kompetenzen. Da Menschen unterschiedliche Eigenschaften und Arbeitspräferenzen aufweisen, kann Selbstmanagement-Kompetenz nicht nach dem Giesskannenprinzip, sondern nur durch eine individualisierte Herangehensweise und intensive Auseinandersetzung mit sich selbst aufgebaut und entwickelt werden.

Das Thema Selbstmanagement ist in aller Munde. Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Dekaden massiv verändert, so dass der damit verbundene Druck viele Menschen überfordert. Die Angebote zur Stärkung der Work-Life-Balance spriessen deshalb wie Pilze aus dem Boden. Mittels Giesskannenprinzip werden den Interessierten meist isoliert betrachtete Ansatzpunkte zur Stärkung der Selbstmanagement-Kompetenz vermittelt, ohne jedoch auf deren Handlungsmotive, Wertesysteme und Arbeitspräferenzen einzugehen. So verlieren diese Kurse und Ratgeber sehr schnell ihre Wirkung und die gut gemeinten Empfehlungen verschwinden schon nach einigen Wochen in der Schublade.

Aus diesem Grund haben wir ein Modell entwickelt, das die Thematik einerseits aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet (Ressourcen- und Stressmanagement, Arbeitstechnik und Arbeitsorganisation, Team-Performance, Motivationstreiber, Ernährung und Bewegung sowie Betriebliches Gesundheitsmanagement). Andererseits arbeiten wir zu Beginn mit den Personen auf individueller Ebene. Hier reflektieren wir persönliche Wertesysteme, sowie Bedürfnisse und Spannungsfelder. In dieser Phase setzen wir unter anderem das Diagnostikinstrument «Team Management System» ein und identifizieren persönliche Arbeitspräferenzen und die damit verbundenen besonderen Herausforderungen im Selbstmanagement. Das «Team Management System» zeigt anhand von vier Arbeitspräferenzskalen, wie sich eine Person im Arbeitskontext bevorzugt verhält:

  • Beziehungsgestaltung: extrovertiert oder introvertiert
  • Informationsbeschaffung: praktisch oder kreativ
  • Entscheidungsfindung: analytisch oder begründet auf Überzeugungen
  • Organisation: strukturiert oder flexibel

Je nach Ausprägung dieser vier Skalen werden der Person eine Haupt- und zwei Nebenrollen zugeteilt. In bilateralen Gesprächen diskutieren wir die einzelnen Ausprägungen und Rollen intensiv und beleuchten deren Auswirkungen auf das Selbstmanagement. Dadurch wird ein gedanklicher Prozess in Gang gesetzt, der in den späteren Workshops immer wieder aufgenommen wird und die Teilnehmenden bezüglich der für sie sinnvollen Ansatzpunkte zur Steigerung der Selbstmanagement-Kompetenzen sensibilisiert.

So stellen sich zum Beispiel bezüglich Selbstmanagement an eine Person mit der Rolle «Entdeckender Promoter» ganz andere Herausforderungen als an einen «Zielstrebigen Organisator». Durch den extrovertierten Umgang mit anderen und das hohe Mass an Kreativität verfügt der «Kreative Innovator» über eine permanent sprudelnde Quelle von Ideen. Er zeigt sofort Begeisterung für neue Themen, hat jedoch Mühe diese zu priorisieren und setzt sie oft nicht konsequent um. Dadurch gerät er unter Druck und kämpft stetig mit der Einhaltung von Terminen. Um Ideen und Vorsätze umsetzen zu können, braucht er den Erfahrungsaustausch im Team und konstruktive, aber auch kritische Diskussionen. Durch seine ausgeprägte Extraversion tauscht er sich auch in belastenden Arbeitsphasen intensiv aus und nimmt Kritik nicht allzu persönlich. Seine Herausforderungen im Selbstmanagement liegen also primär in der Organisation von sich selbst und der damit verbundenen Priorisierung und Umsetzung von Vorhaben.

Der «Zielstrebige Organisator» hingegen charakterisiert sich durch seine analytische Entscheidungsfindung und die strukturierte Organisation von sich und anderen. Er hat kaum Probleme mit der Arbeitsorganisation, da er sich mit Fragestellungen intensiv auseinandersetzt und diese anschliessend konsequent umsetzt. Er hinterfragt Entschiedenes nicht permanent, sondern plant es in seinem Alltag konkret ein. Da er jedoch viel Zeit für das Organisieren und Strukturieren aufwendet, lädt er sich teilweise zu hohe Arbeitsmengen auf und gerät dadurch unter Druck. Er wird zudem rasch ungeduldig und unzufrieden, wenn Absprachen nicht eingehalten werden und hat folglich eher Mühe mit Delegation. Bei permanenten Veränderungen – etwas, was den «Kreativen Innovator» durchaus zu Höchstleistungen anspornt – fühlt er sich unter Druck gesetzt und gestresst. Die Ansatzpunkte für den «Zielstrebigen Organisator» liegen also vielmehr in der Offenheit gegenüber neuen Themen, der Aufgabendelegation und der Erkenntnis, dass viele Wege nach Rom führen. Diese zwei Beispiele zeigen, dass die eigenen Arbeitspräferenzen einen grossen Einfluss auf die Herausforderungen im Selbstmanagement haben. Durch Spiegelung der eigenen Rollen und dem Bewusstsein bezüglich persönlichen Werthaltungen und Bedürfnissen, werden die zielführenden Ansatzpunkte zur Stärkung der Selbstmanagement-Kompetenzen in unserem Modell individualisiert. Dadurch entfalten sie ihre volle Wirkung und verkommen nicht als Eintagsfliegen. Durch regelmässige Reflexion können so Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Zufriedenheit gefördert und erhalten werden – dies zwar nicht nach dem Giesskannenprinzip, sondern persönlich, langfristig und wirksam.

Team-Management-Rad mit den acht Rollen