Autor*inSandra Kohler
ErscheinungsdatumApril 2018
Publiziert in:Gesundheitsökonomie-Blog ZHAW

Ressourcen- und Stressmanagement: Ansatzpunkte aus individueller und Unternehmenssicht mit Gültigkeit auch für Mitarbeitende im Gesundheitswesen

Aussagen wie «Ich bin gestresst» oder «Ich habe mega Stress und fühle mich erschöpft» sind in der Businesswelt und speziell auch in Einrichtungen des Gesundheitswesens an der Tagesordnung – unabhängig der Unternehmensgrösse und beruflichen Position. Der bewusste Umgang mit den eigenen Ressourcen wird deshalb zum strategischen Erfolgsfaktor. Ressourcen- und Stressmanagement gelingen primär, wenn die damit verbundene Selbstverantwortung wahrgenommen wird. Selbstverständlich gilt es in Unternehmen allgemein und insbesondere bei Akteuren im Gesundheitswesen zusätzlich, die einer Führungstätigkeit obliegende Fremdverantwortung wahrzunehmen. Dabei stellt sich interdisziplinär die Frage, welche Stressoren wie reduziert werden können und was am Arbeitsplatz ermöglicht wird, damit Mitarbeitende genügend Freiräume haben, um ihre Ressourcen zu stärken und so langfristig motiviert und gesund erhalten bleiben. Die Umsetzung der vorgenommenen Massnahmen liegt wiederum in der Selbstverantwortung jedes einzelnen. Wo setzen Sie ab morgen an?

Das Leben der meisten Erwerbstätigen ist «stressiger geworden» oder präziser ausgedrückt, fühlt sich gegenüber früher «stressiger» an. Zahlreiche Veränderungen der Unternehmensumwelt (z. B. Kostendruck, technologische Entwicklungen, veränderte Rollenbilder, gestiegene Erwartungen der Kund*innen und Patient*innen) erfordern eine beinahe permanente Adaptierungsfähigkeit und führen zu immer knapperen Zeitfenstern für berufliche, aber auch private Tätigkeiten. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO den Stress als grösste Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert erklärt hat. Nichtsdestotrotz gilt es auch zu beachten, dass Stress gerade im Business zum guten Ton gehört und umgangssprachlich häufig gleichgesetzt wird mit Termindruck, wahrgenommener Fremdsteuerung und damit verbunden, wenig unverplanter Zeit.

Stress ist immer die Folge einer Gesamtbelastung aus beruflicher und privater Lebenswelt, welche die eigenen Ressourcen übersteigt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO definiert Stress bzw. Stressempfinden als persönlich bedeutsamen und als unangenehm erlebten Ungleichgewichtszustand zwischen den Anforderungen und eigenen Handlungsmöglichkeiten beziehungsweise Bedürfnissen (vgl. seco, Stressstudie 2010). Dass chronischer Stress sich negativ auf das Individuum (z. B. Wohlbefinden, Leistungseinbussen, psychische und physische Beschwerden), aber auch die Arbeitgeber*innen (z. B. steigende Fehlerquote resp. sinkende Behandlungsqualität, geringere Produktivität, krankheitsbedingte Ausfälle) auswirken kann und auch gesellschaftlich bedenkliche Folgen nach sich zieht, ist durch unterschiedlichste Studien belegt.

Zeit also, sich in regelmässigen Abständen mit dem Thema «Ressourcen- und Stressmanagement» auseinanderzusetzen und sich die damit verbundenen, relevanten Fragen zu stellen und daraus entsprechende Massnahmen abzuleiten – auf individueller und auf Unternehmensebene. Der Anstoss für eine solche Auseinandersetzung kann unter anderem auch im CAS Personalführung im Gesundheitswesen erfolgen.

Stressoren minimieren, wo möglich

Eine umfassende und ehrlich durchgeführte Analyse der eigenen Belastungsfaktoren resp. Stressoren bietet dafür einen guten Einstieg. In unserer Beratungserfahrung und als Dozentin in der Weiterbildung zeigt sich immer wieder, dass «schwarz-auf-weiss dokumentierte Stressoren» ein erstes Aha-Erlebnis darstellen. Bei Mitarbeitenden und Führungspersonen im mittleren Management wird die Fremdsteuerung auf den ersten Blick oftmals als sehr stark wahrgenommen und der eigene Hebel zur Reduktion der Stressoren als gering eingeschätzt. Einen zweiten Augenöffner erleben wir jedoch immer wieder, wenn sich Personen einzeln oder auch in Teams gemeinsam fragen, welches ihre ausgeprägten Stressoren sind und was sie dagegen tun können. Selbstverständlich kann die Fremdsteuerung kaum je ganz wegdiskutiert werden. Sie erweist sich bei genauem Hinschauen jedoch oftmals als weniger stark, als ursprünglich wahrgenommen.

So zeigt sich, dass dem steigenden Arbeitsvolumen bei gleichzeitigen Personalengpässen zumindest mittel und langfristig mit einer fokussierten Gestaltung der Arbeitgeberattraktivität entgegengewirkt werden kann (z. B. Förderung von Teilzeitarbeit auf Kaderstufe). Häufige Unterbrechungen aufgrund der Arbeit mit Kund*innen/Patient*innen oder aufgrund einer Führungstätigkeit können zumindest zeitweise reduziert werden (z. B. durch bewusste Gestaltung der Strukturen, Zuständigkeiten und Stellvertretungsregelungen). Dies sowohl durch gemeinsame Vereinbarungen auf Teamebene (z. B. interne Sprechstunden), aber auch durch individuelles Anpassen der eigenen Arbeitstechnik (z. B. gebündelte Bearbeitung von eingehenden E-Mails). Die im Gesundheitswesen gestiegenen Anforderungen an die Dokumentation und generelle Zunahme administrativer Tätigkeiten ist Fakt – deren fokussierte Abarbeitung birgt glücklicherweise in den meisten Institutionen noch ein grosses Potenzial. Eine häufige Aussage von Teams im Rahmen einer Stressorenanalyse lautet «Wir arbeiten ja nicht im Spital». Ein interdisziplinäres Team aus einem Spital kam hingegen vor einigen Monaten zum Schluss «Wir arbeiten ja nicht auf dem Notfall». Ein Notfallteam aus einem grösseren Spital erwiderte darauf hingegen «Auch wir sind ja nicht alle gleichzeitig in permanenter Alarmbereitschaft» – das stimmt doch zuversichtlich!

Ressourcen gezielt stärken

Nebst der Analyse der Stressoren bietet auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Ressourcen einen wichtigen Hebel, um gesund, zufrieden, leistungsbereit und leistungsfähig zu bleiben. Dies erfordert, sich immer wieder die Frage zu stellen, was einem persönlich guttut und wichtig ist – um diese Themen anschliessend konsequent und fokussiert umzusetzen. Ob sportliche Betätigung, Austausch unter Freunden, Ich-Zeit beim Lesen eines Buchs oder regelmässige Musse-Stunden – die Ansatzpunkte zur Stärkung der eigenen Resilienz sind sehr zahlreich und sehr individuell. Oftmals wird diesbezüglich der eigene Spiegel jedoch erst sehr spät vorgehalten. Eine regelmässige Auseinandersetzung mit den grossen und kleinen Lebensfragen entpuppt sich jedoch selten als falsch investierte Zeit. Ressourcen können auch unter Arbeitskolleg*innen gestärkt werden, so zum Beispiel durch gemeinsame sportliche Aktivitäten vor einer Spätschicht oder Teamarbeit, welche dem Bedürfnis nach sozialem Anschluss nachkommt.