ErscheinungsdatumMai 2014
Publiziert in:Stellenanzeiger von Der Bund und Berner Zeitung

Generationenmanagement und der Umgang mit Mitarbeitenden 50plus

In der Diskussion der demografischen Entwicklung nimmt die Altersstruktur der Schweizer Erwerbstätigen eine zentrale Position ein und wird den Fachkräftemangel in einigen Branchen zusätzlich verschärfen. Obwohl das Thema auf politischer und medialer Ebene breit diskutiert wird, befassen sich Unternehmen noch wenig strategisch mit Generationenmanagement. Welche Themen es dabei zukünftig zu beachten gilt, wird im Gespräch mit Sandra Kohler diskutiert.

Frau Kohler, was verstehen Sie unter Generationenmanagement?

Sandra Kohler: Beim Generationenmanagement geht es darum, den spezifischen Bedürfnissen unterschiedlicher Generationen gerecht zu werden und deren Zusammenarbeit zu optimieren. Damit soll deren Leistung und Zufriedenheit langfristig auf einem hohen Niveau erhalten werden können. Die Zugehörigkeit zu einer Generation wird dabei als Ansatzpunkt zur Erklärung von unterschiedlichem Denken und Handeln von Individuen verstanden. Selbstverständlich ist diese Typisierung stark vereinfachend. In der aktuellen Diskussion wird häufig über die Andersartigkeit der Generation Y (Jahrgänge 1981 bis 1995) gesprochen. Obwohl die sogenannten Baby Boomer (Jahrgänge 1956 bis 1965) und die Generation X (1966 bis 1980) einen erheblichen Anteil der Erwerbstätigen darstellen, wird über deren Bedürfnisse, Stärken und Herausforderungen in der Unternehmenspraxis noch wenig berichtet.

Inwiefern unterscheiden sich diese Generationen?

SK: Über die Generation Y wird aktuell viel geschrieben und geforscht. Sie wird als selbstbewusst, fordernd und wenig loyal beschrieben. Sie ist äusserst leistungsbereit, sofern die Arbeit Spass macht und grosse inhaltliche Gestaltungsfreiräume bietet. Sie erwartet ein hohes Mass an Flexibilität bezüglich Arbeitszeit und -ort und gewichtet Work-Life-Balance sowie die persönliche Entwicklung entsprechend hoch. Formale Hierarchien haben für sie wenig Bedeutung. Da sie häufiges und zeitnahes Feedback erwartet, wird die Generation Y von älteren Arbeitskollegen teilweise als Generation Pampers bezeichnet. Für die Baby Boomer hingegen geniessen Werte wie Loyalität und Zuverlässigkeit einen höheren Stellenwert. Sie gelten als ausdauernd in der Lösungsfindung und erachten Gerechtigkeit und Anerkennung von in Vergangenheit Geleistetem als zentral. Von den jüngeren Arbeitskollegen werden sie teilweise als perfektionistisch und eher reserviert bezeichnet. Bereits die kurzen Ausführungen zu diesen beiden Generationen zeigen, dass die Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen einiges an Konfliktpotenzial beinhaltet.

Wie kann dieses Konfliktpotenzial entschärft werden?

SK: Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass in einem ersten Schritt bezüglich der unterschiedlichen Werte und Bedürfnisse der Generationen sensibilisiert und auf deren Stärken fokussiert wird. Die Demografiedebatte und der sich in einigen Branchen zusätzlich verschärfende Fach- und auch Führungskräftemangel werden das Thema in der Praxis weiter ins Zentrum rücken lassen. Arbeitgeber werden es sich zukünftig nicht mehr leisten können, ihr Talent Management ausschliesslich auf jüngere Mitarbeitende zu beziehen und ihr Angebot im Rahmen der Personalerhaltung vorwiegend auf Mitarbeitende der Generationen X und Y auszurichten. Ich bin immer wieder überrascht, welch grossen Widerständen auch hervorragend qualifizierte Fach- und Führungskräfte nach dem 50. Altersjahr begegnen, wenn sie sich auf offene Stellen bewerben.

Welche Stärken zeichnen Mitarbeitende 50plus aus?

SK: Sie verfügen über weitreichende Berufserfahrung, welche sie in unterschiedlichsten Fragestellungen einbringen können. Ihr häufig ausgeprägtes Verantwortungs-, Pflicht- und Qualitätsbewusstsein kann gerade in der Zusammenarbeit mit der Generation Y besonders wertvoll sein. Die Forschung zeigt, dass Mitarbeitende mit zunehmendem Alter zwar in der Verarbeitung von Informationen mehr Zeit benötigen und sich gegenüber Veränderungen weniger offen zeigen. Wichtig ist hier jedoch die Erkenntnis, dass sich berufliche Leistungsfähigkeit nicht nur aus dieser Quelle speist. So verfügen Mitarbeitende 50plus oft über bewährte Arbeitsstrategien und gehen Fragestellungen zielorientierter und effizienter an als jüngere Mitarbeitende und können Wesentliches schneller von Unwesentlichem unterscheiden.

Sind ältere Mitarbeitende nicht einfach zu teuer?

SK: Die Vorstellung eines mit zunehmender Erfahrung stetig steigenden Gehalts ist in den meisten Lohnsystemen tief verankert. Dies gilt es sicherlich in Frage zu stellen resp. das Thema Lohn mit Mitarbeitenden 50plus direkt zu diskutieren. Die Erfahrung zeigt, dass viele Mitarbeitende 50plus bei einem entsprechend attraktiven Gesamtpaket bereit sind, ihre Lohnvorstellungen zu senken. Auch die hohen Lohnnebenkosten müssten sicherlich auf übergeordneter Ebene thematisiert werden können.

Was raten Sie den Unternehmen?

SK: Der demografische Wandel und die damit verbundene Alterung der Bevölkerung sind bereits heute spürbar. Die Zeit ist gekommen, um sich darauf einzustellen und Strategien zum Generationenmanagement und dabei insbesondere zum Umgang mit Mitarbeitenden 50plus zu entwickeln. Die Durchführung einer unternehmensinternen Altersstrukturanalyse stellt einen wichtigen ersten Schritt dar. Darauf aufbauend können konkrete Massnahmen abgeleitet werden. Diese beziehen sich idealerweise auf die Mitarbeiter-, Team- und Unternehmensebene. Die kulturelle Verankerung des Generationenmanagements ist eine wichtige Voraussetzung für dessen Erfolg. So erachte ich zum Beispiel Sensibilisierungsworkshops bezüglich der Bedürfnisse und Werthaltungen der unterschiedlichen Generationen als sinnvoll. Dabei gilt es, Vertreter der Baby Boomer sowie der Generationen X und Y einzubeziehen und das Potenzial von altersdiversen Teams gemeinsam zu erarbeiten. Weiter können durch die Implementierung eines lebenszyklusorientierten Personalmanagements sämtliche Personalprozesse von der Gewinnung, Entwicklung, Erhaltung bis zum Austritt auf die unterschiedlichen Generationen zugeschnitten werden.

Wie kann dies konkret aussehen?

SK: Durch Sensibilisierungsworkshops können die Einstellung und das Verhalten von Führungskräften und HR, welche Bewerbungen beurteilen und Vorstellungsgespräche führen, entscheidend geprägt werden. Im Rahmen der Personalerhaltung gilt es, Mitarbeitende 50plus nicht auf dem Abstellgleis zu parken, sondern bereits frühzeitig den letzten Teil ihrer Karriere zu planen und ihnen dabei weiterhin spannende Aufgabeninhalte zu geben, bei denen sie ihre Erfahrung und ihr Expertenwissen einbringen können und dabei entsprechende Wertschätzung erfahren. Sie können auch als interne Berater eingesetzt werden. So kann ihr Wissen frühzeitig genutzt werden und auf Jüngere übergehen. Weiter gilt es, auch älteren Mitarbeitenden Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit zu bieten – dies entspricht häufig nicht nur einem Bedürfnis von jungen Müttern und Familienvätern. Bei der Personalentwicklung erachte ich die Verankerung von lebenslangem Lernen als zentral. Dies bedeutet, dass auch ältere Mitarbeitende Zugang zu Weiterbildungsangeboten haben und deren Besuch auch entsprechend eingefordert wird. Gesamthaft gesehen braucht es einen Einstellungswandel gegenüber älteren Mitarbeitenden und ein ganzheitliches Angehen an die Thematik Generationenmanagement. Die positive Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit dürfte für die Unternehmen bereits mittelfristig spürbar sein.