Autor*inSandra Kohler
ErscheinungsdatumJuli 2019
Publiziert in:Zeitschrift «Der Südhang»

Die Besten gewinnen

Wenn sich Firmen klar positionieren, erhöhen sie ihre Attraktivität als Arbeitgeber*innen. Unternehmensberaterin Sandra Kohler kennt die Erfolgskriterien. Sie liefert einen Überblick.

Arbeitgeberattraktivität ist für viele Unternehmen ein strategischer Erfolgsfaktor. Dies gilt besonders für Branchen, in denen es zu wenig Fach- und Führungskräfte gibt. Im Gesundheitswesen ist der Fachkräftemangel vielerorts deutlich spürbar. Kliniken stehen miteinander im Wettbewerb um qualifizierte Ärzt*innen (zum Beispiel im Bereich Psychiatrie) und diplomierte Pflegefachpersonen. Attraktive Arbeitgeber*innen verfügen über eine hohe Anziehungskraft für potenzielle Mitarbeitende und sind in der Lage, bestehende Mitarbeitende zu binden. Kliniken mit internationalem Ruf, universitärem Auftrag oder attraktivem Standort sind im Wettbewerb um die besten Fach- und Führungskräfte grundsätzlich in einer besseren Position. Das Thema Fachkräftemangel erfordert deshalb im Rahmen der klinikspezifischen Personalbedarfsplanung eine fundierte Betrachtung der eigenen Positionierung (inklusive Ausarbeitung eines Arbeitgeberprofils) sowie eine spezifische Analyse nach Berufsgruppen und Fachrichtungen. Seit Jahren wird in Studien untersucht, was aus Sicht von Studierenden und Mitarbeitenden die Faktoren sind, die ein Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitgeber machen:

Arbeitsinhalt und Infrastruktur

Interessante und abwechslungsreiche Arbeitsinhalte stellen den wichtigsten Faktor dar. Kliniken, die es schaffen, Mitarbeitende im Kerngeschäft von den zunehmenden administrativen Tätigkeiten zu entlasten, haben einen klaren Vorteil. Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb eines klar definierten Rahmens und Mitsprachemöglichkeiten in klinikrelevanten Entscheidungen bilden einen weiteren wichtigen Attraktivitätsfaktor. Besonders für jüngere Mitarbeitende ist ein ansprechender Arbeitsplatz mit einer modernen ICT-Infrastruktur eine Selbstverständlichkeit.

Arbeitszeit und Work-Life-Balance

Das Bild des allzeit präsenten Arztes mit wöchentlichen Arbeitszeiten von 50 und mehr Stunden wirkt vor allem auf jüngere Mitarbeitende abschreckend. Bewältigbare Arbeitsmengen sollen eine ausgeglichene Work-Life-Balance ermöglichen. Flexiblen Arbeitszeitmodellen sind in einem Drei-Schicht-Betrieb sicherlich Grenzen gesetzt. In Kliniken liegt jedoch oftmals Potenzial brach, wenn es um Möglichkeiten für Telearbeit und Home-Office geht. In zahlreichen Berufen, bei denen ein Fachkräftemangel besteht, bilden Frauen in den Aus- und Weiterbildungen die Mehrheit. Veränderte Rollenbilder haben dazu geführt, dass heute auch Männer in der Kinderbetreuung eine tragende Rolle spielen oder aus anderen Gründen nicht in einem Vollzeitpensum arbeiten wollen. Kliniken, die sich bezüglich Teilzeitarbeit attraktiv positionieren und diese auch auf höheren Hierarchieebenen bewusst fördern, haben einen Trumpf im Ärmel. Teilzeitarbeit im Kader darf jedoch nicht zum Lippenbekenntnis verkommen: Es braucht sichtbare Vorbilder, um glaubwürdig zu sein.

Führungskultur und Kollegialität

Eine respektvolle und wertschätzende Unternehmenskultur ist für viele Mitarbeitende elementar. Betriebe mit stark hierarchischen Kulturen, in denen etwa die Ärzt*innen implizit über ein höheres Ansehen verfügen, werden es zukünftig schwer haben. Interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe sowie eine nachhaltige Entschärfung der Konflikte zwischen einzelnen Berufsgruppen (zum Beispiel Psycholog*innen / Psychiater*innen, Pflegefachpersonen / Hebammen) sind entscheidende Faktoren. Führungspersonen kommt in diesem Prozess eine zentrale Bedeutung zu. Wenn es diesen zusätzlich gelingt, Mitarbeitende in der Rolle als Coach zu begegnen und sie zu befähigen und zu inspirieren, wird sich dies nicht nur auf die Arbeitgeberattraktivität, sondern auch auf die Leistungsqualität auswirken.

Weiterbildung und Karriereplanung

Beim Thema Weiterbildung gilt es nicht nur an die Möglichkeit zur Teilnahme an externen Kursen und Lehrgängen zu denken, sondern auch an interne Weiterbildungen zu fachlichen Themen oder Führungsfragen. Weiterbildung «on the job» kann zudem bedeuten, dass Mitarbeitende bewusst in spannende Projekte einbezogen werden und für ausgewählte Themen die Verantwortung übernehmen. Gerade für Kliniken mit einem breiten Angebot (verschiedene Fachrichtungen, stationärer und ambulanter Bereich) liegt eine grosse Chance darin, Mitarbeitende in ihrer Karriereplanung frühzeitig zu begleiten und Wechsel innerhalb der Klinik bewusst zu planen. Die Höhe des Lohns und gute Sozialleistungen sind ebenfalls wichtige Faktoren der Arbeitgeberattraktivität, rangieren jedoch in kaum einer Studie auf den vordersten Plätzen. Gehälter, die sich wesentlich unter dem Marktniveau bewegen, haben eine Negativwirkung und müssen durch andere Faktoren kompensiert werden.

«Tue Gutes und sprich darüber»

Die Ansatzpunkte, um sich als attraktive*r Arbeitgeber*in im Gesundheitswesen zu positionieren, sind somit bekannt. Die grosse Herausforderung liegt darin, diese überzeugt, spürbar und nachhaltig umzusetzen. Die Ausarbeitung in Form von umfangreichen Konzepten reicht nicht aus. Erst wenn «das Gute» getan und verankert ist, gilt es, die zielgruppenspezifische Kommunikation der Arbeitgeberattraktivität an die Hand zu nehmen.

Erschienen im Juni 2019 in «Der Südhang», der Zeitschrift der Klinik Südhang