Autor*inJürg Widmer, Mathias Hintermann
ErscheinungsdatumSeptember 2017
Publiziert in:Stellenanzeiger von Der Bund und Berner Zeitung

Personalgewinnung 4.0 – wir müssen miteinander reden

Die rasch fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung in verschiedenen Geschäftsfeldern stellt viele Branchen auf den Kopf. Geschäftsmodelle verändern sich teils radikal und bringen neue Herausforderungen mit sich. Trends mit kurzer Halbwertszeit und neue Marktplayer erfordern von Firmen ein hohes Mass an Agilität, um erfolgreich zu bestehen. Dies bedingt neue Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden und hat entsprechenden Einfluss auf die heutige und künftige Personalauswahl.

Rekrutieren wir noch nach den richtigen Kriterien?

Schlagwörter wie Industrie 4.0 oder Digitalisierung liest man heute täglich in Zeitungen oder Fachartikeln. Aber was bedeutet dies für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen? Im Vergleich zu früher steht die Nachfrage und das Bedürfnis nach individualisierten Produkten und Dienstleistungen für Firmen und Konsumenten vermehrt im Zentrum. Dieser Wandel weg von Massen- und Standardprodukten verändert auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Firmen und deren Belegschaft erleben heute Veränderungen in viel kürzeren Zyklen. Die tägliche Arbeit folgt oftmals nicht mehr strikten Abläufen. Projekte sind vermehrt ergebnisoffen und müssen sich an rasch wechselnde Umstände anpassen.

So sind heute neben den klassischen Auswahlkriterien, neue Kriterien und Fähigkeiten gefordert. Unternehmen müssen als Team funktionieren, um erfolgreich zu sein. Es ist von grosser Wichtigkeit, dass sich Mitarbeitende mit den Zielen und Werten der Firma sowie der Betriebskultur identifizieren können. Nur so entfalten diese ihr gesamtes Potential und bleiben dem Unternehmen langfristig erhalten. Querdenker und initiative Teamplayer sind gefragt.

Die Personalauswahl hat sich aber vielerorts nicht an die neuen Gegebenheiten angepasst. Noch immer legen Firmen grossen Wert auf die herkömmlichen Selektionskriterien, wie formelle Abschlüsse, Beherrschung konkreter Tools, vergangene Erfolge, Kontinuität und dem Nachweis von Fleiss. Diese haben sicherlich nach wie vor ihre Berechtigung, werden den neuen Gegebenheiten jedoch nicht vollumfänglich gerecht. Beharrt man ausschliesslich auf die klassischen Auswahlkriterien, werden geeignete Bewerber*innen ausgeschlossen oder übergangen.

Ein anschauliches Beispiel ist die systematische Suche nach beruflichen Erfolgen in Lebensläufen. Erfolg ist jedoch in den seltensten Fällen der Verdienst eines Einzelnen, vielmehr ist dieser von vielen Faktoren aus dem unmittelbaren Umfeld abhängig. Es gibt keine Garantie, dass jemand, der in der Vergangenheit erfolgreich war, dies auch künftig in einem neuen Umfeld mit anderen Rahmenbedingungen sein wird. Misserfolge wiederum werden oft als Schwäche gewertet. Häufig sind aber die daraus gezogenen Lehren wichtige Erfahrungen, die uns weiterbringen. Sowohl Erfolge wie auch Misserfolge müssen also im Gesamtkontext eingestuft werden.

Die Digitalisierung treibt die Rekrutierung in die falsche Richtung

Wohl niemand kann von sich behaupten, dass er sein gesamtes Leben und seine Persönlichkeit auf ein paar Seiten Lebenslauf und einem Motivationsschreiben vollständig abbilden kann. Die sich schnell wandelnde Arbeitswelt macht es aber notwendig, den einzelnen Menschen als Ganzes zu verstehen.

Linien- und Personalverantwortliche sollten sich die Zeit nehmen können, ihre potentiellen Mitarbeitenden kennenzulernen und ihre Motivation, Interessen, Werte und Einstellungen zu verstehen. Es geht darum, die richtigen und zum Unternehmen passenden Teammitglieder zu finden. Sie haben als Personalverantwortliche*r zu wenig Zeit, zu wenig Ressourcen, Sie müssen effizienter und schneller arbeiten? Da ist es naheliegend, die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu Hilfe zu ziehen und auch die Personalgewinnung zu automatisieren. Dieser Trend hat tatsächlich längst im Personalbereich vieler Firmen Einzug gehalten. Bewerbermanagement-Systeme und intelligente Algorithmen übernehmen heute die Vorselektion. Der zeitaufwendige, persönliche Kontakt bleibt einem damit weitgehend erspart und die Systeme filtern «unpassende» Bewerber*innen schon im Vorfeld automatisch heraus.

Klingt doch alles sehr gut und angenehm! Doch in Wahrheit bewegen wir uns damit zurück zu den herkömmlichen Auswahlkriterien, da Wertvorstellungen und Soft Skills kaum mittels Algorithmen analysiert werden können. Der Einsatz eines solchen Bewerbermanagement-Systems ist nur kurzfristig ein Zeitgewinn und allzu häufig ein zweischneidiges Schwert. So landen nur noch nach diesen klassischen Kriterien gefilterte Bewerbungsdossiers auf dem Tisch der Personalverantwortlichen. Innovative Querdenker mit atypischem Lebenslauf, die für das Team eine entscheidende Bereicherung sein könnten, werden durch die elektronische Vorselektion von vornherein ausgeschlossen.

Im ständigen Streben nach Zeitersparnis und Effizienzsteigerung verschwinden zunehmend die Kontaktdaten der direkten Ansprechpersonen in vielen Stellenanzeigen. Gemäss Studien beurteilen Bewerber*innen genau diesen fehlenden persönlichen Kontakt und zu lange Prozesse ohne Feedback als die grössten Schwachpunkte der heutigen Rekrutierungsprozesse. In Zeiten des Fachkräftemangels können sich die Unternehmen diesen Fehler nicht leisten.

Personalgewinnung ist Kommunikation

Die Digitalisierung sollte keinesfalls als Barriere und Abschirmung von persönlichem Kontakt eingesetzt werden. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zur kollaborativen Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Elektronische Medien und Kanäle können durchaus gewinnbringend eingesetzt werden. Neue Technologien ermöglichen uns, einfacher und schneller miteinander in Kontakt zu treten und zu kommunizieren. Die Erfolgsbasis bildet dabei der richtige Mix aus Technologie und menschlicher Interaktion. Der persönliche Austausch, das gegenseitige Kennenlernen und das ganzheitliche Erfassen der individuellen Eigenschaften werden sich nie automatisieren lassen. Dieses Vorgehen benötigt viel Zeit und Raum, beides fehlt oft im Berufsalltag der Firmenverantwortlichen. Unserer langjährigen Erfahrung nach ist die persönliche Auseinandersetzung mit potentiellen Bewerber*innen in der Personalauswahl unerlässlich. Dies ist eine unserer zentralen Dienstleistungen als professioneller Begleiter in der Personalgewinnung. Wir bei kohler + partner sind überzeugt, mit der optimalen Besetzung Ihrer Teams dem Unternehmen einen echten Mehrwert zu bieten und Ihnen als Bewerber*in eine erfüllende berufliche Herausforderung zu finden.