Agilität und Selbstorganisation auf dem Prüfstand

Jede*r Expert*in von kohler + partner bereitet einmal im Jahr im Sinne einer internen Weiterbildung einen Fachinput mit anschliessender Diskussion für das Team vor. Michelle Stalder hat für dieses Jahr das Thema «New Work» mit dem Fokus auf der agilen Organisation gewählt. Dabei wurden Begriffe wie Selbstorganisation oder Agilität für einmal auch kritisch beleuchtet. 

Agil und selbstorganisiert muss das moderne Unternehmen von heute sein – das schleichende Gefühl überkommt einem zumindest, wenn man die aktuelle Fachliteratur konsultiert, Diskussionen in den Sozialen Medien verfolgt oder die Arbeitgeberauftritte verschiedenster Unternehmen studiert. Manch eine Geschäftsleitung ist mit der Frage konfrontiert, ob es auf diesen Trend aufzuspringen gilt, um die Marktfähigkeit des Unternehmens zukünftig erhalten zu können. 

Von Unternehmen und Medien werden vorwiegend die positiven Aspekte der agilen Organisation beleuchtet, die Umsetzung von agilen Unternehmensformen erscheint meist einfach, frisch und trendy. Im Rahmen der internen Weiterbildungssession haben wir uns deshalb bewusst mit den kritischen Aspekten der agilen Organisation beschäftigt:  

  • Was heisst es wirklich, agil zu sein? 
  • Für welche Unternehmen kann Selbstorganisation zielführend sein und für welche nicht? 
  • Wenn Entscheidungen vermehrt im Team getroffen werden, steigen damit die Anzahl Sitzungen und der Koordinationsaufwand? 
  • Selbstorganisation kann mit einem steigenden Leistungsdruck verbunden sein. Wie ist also mit Low Performern umzugehen, ohne die arbeitsrechtlichen Grenzen zu verletzen? 
  • Was wenn Mitarbeitende, die nach einem unbezahlten Urlaub oder Mutterschaftsurlaub zurückkommen, ihre Rolle im Team nicht mehr finden? 
  • Welche Herausforderungen stellen sich, wenn nur einzelne Abteilungen agil arbeiten oder unterschiedliche Mindsets im Unternehmen vorhanden sind? 

Vielleicht doch nicht alles so einfach? Aus unserer Sicht sind zwei Aspekte elementar:

Die Frage nach dem WARUM klären

Das Ziel von organisatorischen Veränderungen sollte nicht darin bestehen, einem Trend hinterherzurennen, nur um innovativer oder agiler zu werden. Schlussendlich muss das Organisationsmodell auch mit der Vision, der Kultur und dem Marktumfeld des Unternehmens übereinstimmen. Ein Unternehmen sollte sich daher im Vorfeld ganz bewusst mit der Frage beschäftigen, warum sie agil oder selbstorganisiert werden wollen, ob sie über das dafür notwendige Mindset verfügen und warum dieser Schritt allenfalls doch nicht der richtige ist.

Der Wandel muss von oben initiiert sein

Das hört sich etwas paradox an, ist es doch das Individuum oder das Team, das in einer agilen Organisation befähigt werden und autonomer agieren soll. Nichtsdestotrotz nimmt die Geschäftsleitung inkl. Verwaltungsrat eine zentrale Rolle in der Transformation hin zur agilen Organisation ein. Damit der Wandel gelingt, müssen die obersten Führungspersonen in ihren innersten Überzeugungen und Werten übereinstimmen und über ein entsprechendes Führungsverständnis verfügen. Ist der CEO seinen Mitarbeitenden gegenüber eher misstrauisch und der Überzeugung, dass der Mensch vorwiegend durch Belohnung oder Bestrafung motivierbar ist und kontrolliert werden muss, stellt dies keine gute Grundlage dar, um agil zu werden. Vielmehr orientiert sich Selbstführung an einem positiven Menschenbild, das davon ausgeht, dass der Mensch von Natur aus leistungsbereit ist und beispielsweise durch Selbstbestimmung, grössere Verantwortungsbereiche und flexiblere Organisationsstrukturen motiviert wird.